Der führende deutsche Nato-General, Christian Badia, hält angesichts des zusätzlichen Bedarfs von bis zu 60.000 Bundeswehr-Soldaten und zehntausenden Reservisten eine Rückkehr der Wehrpflicht für erforderlich.
"Die Wehrpflicht ist nur ausgesetzt. Ein erster Schritt wäre für mich eindeutig die Wiedereinführung der Wehrpflicht. Das muss jetzt schon vorbereitet werden", sagte er der "Süddeutschen Zeitung" (Mittwochausgabe).
Badia kritisierte Aussagen von SPD-Fraktionschef Matthias Miersch, der darüber in dieser Legislaturperiode nicht diskutieren will. "Zu sagen, wir warten erst einmal diese Legislaturperiode ab, passt nicht zusammen mit der dargestellten Lage", sagte der stellvertretender Kommandeur des Nato-Transformations-Kommandos in Northfolk im US-Bundesstaat Virginia. "Wenn wir jetzt vier Jahre abwarten, wären wir viel zu spät, um die Fähigkeitsziele der Nato umzusetzen. Wir haben es in den letzten vier bis sechs Jahren doch schon mit den bisherigen freiwilligen Angeboten nicht geschafft, mehr Personal zu gewinnen."
Und jetzt kämen nochmal 30 Prozent an Fähigkeitsforderungen oben drauf. "Wir müssen wegkommen von Papiertiger-Diskussionen über tolle Konzepte und Analysen, wir müssen umsetzen", forderte Badia. Das zentrale Argument von Miersch, dafür fehlten ohnehin Kasernen und Ausbilder lässt er nicht gelten. Man könne auch Investoren suchen, die alte Kasernen reaktivieren und zur Ausbildung betreiben. Die Bundeswehr würde dann Mieter.
"Bei der Bedrohungslage, die wir haben, geht es um die gesamtstaatliche Verteidigung", so Badia. Die Briten würden zurecht sagen, dass die Armee die Schlacht gewinne und die Nation den Krieg. Wenn man das ernst nehme, sei der nächste Schritt nach der Wiedereinsetzung der Wehrpflicht für Männer die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht, die auch Frauen einschließen würde. "Wir müssen endlich eine gesamtstaatliche Diskussion führen, wie wir uns als Nation so aufstellen, dass wir abschreckungsfähig werden", sagte der Nato-General.
Auch Hans-Peter Bartels, ehemaliger SPD-Politiker und Wehrbeauftragter, forderte ein Umdenken. "Die SPD ist eigentlich immer eine Wehrpflicht-freundliche Partei gewesen", sagte Bartels der Zeitung. Er plädiert für eine Art Zwischenlösung. "Wir sollten die Wehrpflicht als Pflicht wieder einsetzen, mit Vorfahrt für Freiwilligkeit."
Wenn man nicht genug Freiwillige bekomme, könnten wie in Dänemark, mit einer Art Losverfahren mögliche Pflichtkandidaten auf einer Liste festgelegt werden. "Wenn 2.000 Leute fehlen, zieht die Liste dann zum Beispiel bis zu Platz 2.000." Derzeit gibt es rund 181.500 aktive Soldaten und 34.000 Reservisten, die regelmäßig an Übungen teilnehmen. Die Daumengröße für die künftige Personalstärke der Bundeswehr seien 250.000 aktive Soldaten, so Bartels. Zugleich müsse die Reserve größer werden.
Ein Wehrdienst könne heute 12 bis 15 Monate dauern. Die medizinische Musterung wäre über ein vereinfachtes Verfahren umsetzbar, etwa eine Gesundheitsstatuserhebung beim Hausarzt, statt wie früher in den Kreiswehrersatzämtern, sagte er. "Beim Geld und Material zu sagen, whatever it takes, und dann beim Personal zu sagen, da gucken wir mal, das passt nicht zusammen."