Voyeur-Aufnahmen könnten im Strafrecht bald breiter abgedeckt und bestraft werden.
Das fordert eine breite Mehrheit der Bundestagsfraktionen.
Die Sozialdemokraten halten die aktuelle Gesetzeslücke für "unerträglich" und sehen "klaren" Handlungsbedarf. Wer andere heimlich filme und dabei sexualisierte Motive verfolge, greife massiv in Persönlichkeitsrechte ein - "das muss strafbar sein", sagte Carmen Wegge, Sprecherin der SPD-Fraktion für Recht und Verbraucherschutz, der "Welt" und "Politico". Die Unionsfraktion kündigte Gespräche mit der SPD an.
Hintergrund ist eine Petition, in der gefordert wird, das sexuell motivierte, heimliche Filmen und Fotografieren strenger zu bestrafen. Bisher ist lediglich das Fotografieren bestimmter Körperstellen in den Ausschnitt oder unter den Rock eine Straftat nach Paragraf 184 des Strafgesetzbuchs. In einem im Februar auf Instagram veröffentlichten Video konfrontierte Petitions-Initiatorin Yanni Gentsch einen Mann, der sie zuvor im Wald verfolgte und filmte. Sie konnte ihn jedoch bei bestehender Rechtslage nicht anzeigen.
Jener "Upskirting"-Paragraf greife noch zu kurz, so die SPD. "Kleidung oder Kamerawinkel dürfen nicht darüber entscheiden, ob ein übergriffiges Verhalten strafrechtlich verfolgt werden kann", sagte Wegge. "Niemand soll sich im öffentlichen Raum verstecken müssen, weil andere meinen, aus Lust oder Machtfantasien heimlich filmen zu dürfen."
Auch die Union sieht Handlungsbedarf. "Wer heimlich andere Menschen sexuell motiviert filmt, verletzt ihre Intimsphäre und überschreitet eine klare Grenze", sagte Susanne Hierl (CSU), rechtspolitische Sprecherin der Unionsfraktion. Man nehme die Petition ernst und prüfe mit dem Koalitionspartner, ob der bestehende Straftatbestand angepasst werden müsse.
Das Bundesjustizministerium von Stefanie Hubig (SPD) teilte mit, "die Entwicklungen im Bereich von bildbasierter sexualisierter Gewalt sehr ernst" zu nehmen. Den Fall der gefilmten Joggerin halte man für "digitalen Voyeurismus". Im Koalitionsvertrag einigten sich CDU/CSU und SPD darauf, Gesetzeslücken im Strafrecht hinsichtlich "bildbasierter sexualisierter Gewalt" zu schließen und gegebenenfalls weitere Erscheinungsformen zu erfassen. "Das Bundesjustizministerium prüft derzeit, wie diese Vorgaben am besten umgesetzt werden können", sagte ein Ministeriumssprecher der "Welt" und "Politico".
Unterstützung kommt auch aus der Opposition. Die Forderung nach einer Verschärfung des bestehenden Strafrechts sei "gerechtfertigt und sollte unterstützt werden", sagte Tobias Matthias Peterka, rechtspolitischer Sprecher der AfD-Fraktion. Die Petition schlage einen "Baustein bei der Bekämpfung sexualisierter Gewalt" vor, sagte Lena Gumnior, Obfrau der Grünen-Fraktion im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz. "Das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung ist kein Recht zweiter Klasse - es ist genauso schützenswert wie das Recht auf Eigentum beim Diebstahl im Supermarkt."
Die Linke schließt sich zwar der Kritik an Voyeur-Aufnahmen an, lehnt eine Gesetzesverschärfung allerdings ab. "Das heimliche Filmen anderer Personen in sexueller Absicht ist für die Betroffenen herabwürdigend, beeinträchtigt sie in ihrer Freiheit und stellt ohne Zweifel eine Verletzung des Rechts auf sexuelle Selbstbestimmung dar", sagte Luke Hoß, der für die Linke im Rechtsausschuss sitzt. Das sei "Ausdruck eines tiefergehenden gesellschaftlichen Sexismus", dem in allen Erscheinungsformen entgegenzutreten sei. Die Linke stehe Verschärfungen des Strafrechts jedoch "grundsätzlich kritisch gegenüber", denn härtere Strafen führten oft nicht zu weniger Straftaten.