Ryan Enos, Politikwissenschaftler an der Universität Harvard, sieht seine Universität für einen langjährigen Kampf mit der US-Regierung von Donald Trump gerüstet.
"Wir können eine ganze Weile durchhalten", sagte der Direktor des "Center for American Political Studies" dem "Spiegel".
Die Universität habe Reserven, die sie im Notfall anzapfen könne. "Und in letzter Zeit sind viele neue Spenden von reichen Alumni eingegangen; unsere Institution erlebt gerade eine Welle der Sympathie", so Enos. Die Trump-Regierung will der Eliteuniversität sämtliche staatliche Forschungszuschüsse in Höhe von mehr als drei Milliarden US-Dollar streichen.
Enos ist einer der Initiatoren von Harvards Widerstand gegen Trump. Zusammen mit seinem Forscherkollegen Steven Levitsky rief der 47-Jährige im März in der Hochschulzeitung Harvard Crimson die Universitätsleitung dazu auf, sich den geplanten Eingriffen der Regierung in die Autonomie von US-Elitehochschulen zu widersetzen. Anschließend initiierten die beiden Demokratieforscher eine Petition an die Harvard-Spitze, die binnen kurzer Zeit mehr als 800 der insgesamt rund 2.000 Harvard-Lehrkräfte unterzeichneten. Schließlich wehrte sich Harvard-Präsident Alan Garber öffentlich gegen die Angriffe der Trump-Regierung.
Harvard sei nun "der Leuchtturm des Widerstandes" in den USA, und "diesen Widerstand will Trump brechen", sagte Enos. "Amerika kann sich nicht leisten, dass Harvard fällt. Es geht um unsere Demokratie. Darum wird es jetzt besonders wichtig, dass andere Universitäten, gesellschaftliche Gruppen und Institutionen mehr Widerstand gegen Trump zeigen."
Die Regierung hatte zuletzt angekündigt, ausländische Studenten von Harvard zu verbannen; ein Gericht hob dieses Verbot vorübergehend auf. Dennoch werde die Zahl der internationalen Studierenden fallen, sagte Enos. "Einige werden Harvard allein aus Verunsicherung verlassen. Etwa weil sie Angst haben, dass sie auf offener Straße verhaftet werden. Auch manche Aspiranten, die schon ein Visum haben, werden zögern, zu uns zu kommen", erklärte er. "Und andere, die noch keine Einreisegenehmigung besitzen, werden womöglich so schnell keine bekommen."
Deutschen Abiturienten würde er prinzipiell nach wie vor raten, sich in Harvard zu bewerben, sagte Enos. "Doch ich würde ihnen auch klarmachen: Die Lage für sie hier ist unsicher wie nie zuvor, und ich kann nicht ausschließen, dass die Trump-Regierung etwas tun wird, das ihr Leben durcheinanderbringt."