Menschen in Deutschland, die vor dem Schritt in die Selbstständigkeit stehen oder ein eigenes Unternehmen gründen wollen, beklagen zusehends die Rahmenbedingungen des Standorts.
	
Das ist ein Ergebnis aus dem Report Unternehmensgründung 2025 der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), über den die Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Dienstagsausgaben) berichten.
Demnach habe der Gründungsstandort Deutschland deutlich an Attraktivität verloren. Mittlerweile sind fast sechs von zehn Gründern unzufrieden mit den Rahmenbedingungen für Gründungen und Unternehmertum. Das bedeutet laut DIHK einen Anstieg von sieben Prozentpunkten im Vergleich zum Vorjahr. Gleichzeitig hat sich der Anteil der sehr unzufriedenen Gründer in den beiden zurückliegenden Jahren fast verdoppelt. Das aktuelle Urteil der jungen Unternehmer falle damit sogar schlechter aus als während der Corona-Pandemie, so die Kammer.
Als Folge stagniere auch das Gründungsinteresse auf einem historisch tiefen Niveau. Trotz eines leichten Anstiegs im Vergleich zum Vorjahr habe die Zahl der von den Industrie- und Handelskammern im vergangenen Jahr geführten Gesprächen mit Gründern immer noch auf dem zweitniedrigsten Wert seit Beginn dieser Erhebung im Jahr 2003 gelegen.
Laut DIHK flossen in den Report rund 200.000 Kontakte des Gründungsservices der Industrie- und Handelskammer ein, zum Beispiel aus Einstiegsgesprächen und Beratungen sowie von Gründungsveranstaltungen und Gründertagen. Vor allem zum Schritt in die Selbstständigkeit oder zum Aufbau eines Einzelunternehmens beraten die Kammern. Zu häufigen Gründungen zählen zum Beispiel Online-Shops, Handwerksbetriebe oder IT- oder Reinigungsunternehmen. Gründer, die Start-ups mithilfe von Investorenkapital aufbauen, suchen hingegen eher nicht Hilfe bei solchen Gründerberatungen.
Für die Untersuchung wurden, so die DIHK, darüber hinaus Gründer zwischen dem 22. Januar und dem 28. Februar dieses Jahres zu Empfehlungen und Forderungen an die Politik befragt. 618 Antworten daraus flossen in die Erhebung mit ein.
DIHK-Präsident Peter Adrian äußerte sich mit Blick auf die Ergebnisse des Reports gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe besorgt. "Gründerinnen und Gründer sind ein Innovationsmotor unserer Volkswirtschaft. Wenn wir ihre Dynamik verlieren, verlieren wir Zukunft," so Adrian. "Gerade junge Unternehmerinnen und Unternehmer sind es, die in schwierigen Zeiten Chancen erkennen und den Mut aufbringen, Neues zu wagen. Ihr Unternehmergeist verdient nicht nur Respekt, sondern auch bessere Rahmenbedingungen," forderte der DIHK-Präsident.
Die Probleme, die Gründer in Deutschland sehen, halten sie weitestgehend für hausgemacht: Viele Gründer berichten von einem "Dschungel von Regulierungen und Verordnungen", der Zeit und Ressourcen binde. Auch die Vielzahl an Formularen, Zuständigkeiten und Vorschriften führe zu Unsicherheit und Frustration, so der Report. Besonders belastend sei die Bürokratie in der Gründungsphase. Laut DIHK bremsen auch hohe Steuern, die stark gestiegenen Energie- und Arbeitskosten sowie eine unzureichende digitale Infrastruktur Unternehmertum aus. Kammer-Präsident Adrian forderte, den Standort zu modernisieren: "Die von der Bundesregierung vorgelegte Modernisierungsagenda könnte hierfür ein wichtiger Baustein sein, aber nur, wenn sie konsequent umgesetzt wird", sagte er.
Wer in Deutschland gründet, tut das noch immer aus einem inneren Antrieb heraus: In rund zwei Dritteln der Beratungsgespräche der IHK-Gründungsberatungen geben Interessierte den Wunsch, Unternehmer zu sein, als Hauptmotiv zur Gründung an. Aber auch andere Faktoren gewinnen an Gewicht. Der Mangel an Erwerbsalternativen liegt als Motiv zur Gründung mit 34 Prozent so hoch wie seit zehn Jahren nicht mehr. Ein Faktor dabei: Der Job-Abbau einzelner Branchen. So würden die IHKs mehr Interessenten vermelden, die derzeit Führungspositionen in von der Krise betroffenen Industriezweigen innehaben und sich mit einer beruflichen Selbstständigkeit im Falle absehbarer Erwerbslosigkeit neu orientieren wollten.
Bei den Gründerinnen spielt hingegen auch der Wunsch nach mehr Flexibilität, beispielsweise zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf, traditionell eine überdurchschnittliche Rolle. Dass immer mehr Frauen Interesse haben, ein Unternehmen zu gründen, sei der DIHK zufolge ein "Lichtblick". Mittlerweile ließen sich fast genauso viele Frauen wie Männer zum Thema Gründung beraten. Vor 20 Jahren lag der Anteil gerade bei etwas mehr als einem Drittel.
Egal, ob Frau oder Mann - Gründer in Deutschland haben dem Report zufolge genaue Vorstellungen davon, was sich verbessern sollte: Drei Viertel der Befragten sind für schnellere und einfachere Regularien. Mehr als die Hälfte fordern ein einfacheres Steuerrecht. Weit oben auf der Liste der Gründenden sind außerdem ein besserer Zugang zu öffentlichen Fördermitteln, mehr Verständnis für das Unternehmertum in der Gesellschaft und niedrigere Energiepreise.
Mit der Modernisierungsagenda hatte die Bundesregierung zuletzt ein größeres Paket vorgelegt. Unter anderem soll die Gründung eines Unternehmens künftig binnen 24 Stunden möglich ein. Nicht ausreichend, findet die DIHK, die auch mehr Schnelligkeit zum Beispiel beim Erteilen der Steuernummer oder weiteren Genehmigungen fordert. Das sieht auch die Vorsitzende des Bundesverbands Deutsche Start-ups, Verena Pausder, so.
"Die Herausforderungen von Start-ups und klassischen Gründungen - etwa im Handwerk - unterscheiden sich in vielen Punkten, doch eines zeigt der Report deutlich: Es braucht deutlich mehr Anstrengungen, um den Gründungs- und Innovationsstandort Deutschland zu stärken", sagte Pausder den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Dazu zähle auch, den Prozess der Unternehmensgründung deutlich zu beschleunigen. Für Start-ups sei außerdem ein besserer Zugang zu Kapital entscheidend, denn sie seien bei der Skalierung überwiegend auf Eigenkapital angewiesen.