Im Bundeswirtschaftsministerium wusste man offenbar früher über die desaströse Lage beim schwedischen Batteriezellhersteller Northvolt Bescheid als bislang bekannt.
Wie der "Spiegel" berichtet, informierte das inzwischen insolvente Unternehmen das Ministerium bereits im November 2023 über Produktionsschwierigkeiten, wie aus einem vertraulichen Bericht des Bundesrechnungshofs hervorgeht, dessen Ergebnisse die Prüfer diesen Mittwoch im Haushaltsausschuss des Bundestags vorstellen wollen.
Das Unternehmen hatte laut des Berichts im November 2023 angefragt, ob es die erste Tilgungsrate für einen bereits 2020 durch den Bund besicherten Kredit um sechs Monate schieben könne. Demnach erklärte Northvolt damals, "Hintergrund seien Verzögerungen beim Produktionshochlauf". Die Auslieferung von Batteriezellen werde sich deshalb in den kommenden Jahren verringern. Der Interministerielle Ausschuss unter der Federführung des Wirtschaftsministeriums stimmte dem Aufschub zu.
Damit wusste das damals noch vom Grünen-Politiker Robert Habeck geführte Ministerium mindestens ein halbes Jahr eher von den Problemen, als es bislang eingeräumt hat. Bis heute erklärt das Ministerium, Probleme beim Hochlauf der Produktion, die letztlich zur Insolvenz führten, seien erst "ab Sommer 2024" bekannt gewesen.
Ob man im Ministerium um die prekäre Lage bei Northvolt sogar schon wusste, bevor der Bund Ende Oktober 2023 eine 600-Millionen-Euro-Bürgschaft für Northvolt unterschrieb, ist unklar. Zwar behauptete Habeck noch dieses Frühjahr, die Probleme "wurden uns erst bekannt, weit nachdem die Verträge geschlossen wurden", allerdings waren für das Wirtschaftsministerium laut den Rechnungsprüfern zum Entscheidungszeitpunkt "bereits Anzeichen für Verzögerungen und Kostensteigerungen" bei Northvolt erkennbar.
Bereits im Frühjahr 2023 hatte das Ministerium dem Start-up schon mal erlaubt, die Tilgung der ersten Rate für den Kredit von 2020 zu verschieben. Zudem sollten Wirtschaftsprüfer damals einen weiteren möglichen Kredit für Northvolt begutachten, "insbesondere angesichts Kostensteigerungen und Bauzeitverzögerungen", wie es im Prüfauftrag hieß. Habeck und das Ministerium äußerten sich laut "Spiegel" nicht zu den Vorwürfen. Der Haushaltsausschuss hatte Habeck zu der Sitzung am Mittwoch eingeladen. Dieser sagte aus beruflichen Gründen ab, er sei nicht in Berlin.
Der Northvolt-Konzern galt als grüne Hoffnung, die der deutschen Autoindustrie bei der Mobilitätswende mit Batteriezellen aus Europa helfen sollte. Für das Unternehmen übernahmen unter anderem der Bund, Schleswig-Holstein und die Europäische Investitionsbank Garantien in Milliardenhöhe. Der Absturz des ambitionierten Unternehmens, das auch bei Heide in Schleswig-Holstein eine Gigafabrik plant, könnte deutsche Steuerzahler mehr als eine Milliarde Euro kosten.